Um Maria zu erniedrigen, wird u.a. Lk 11,27 missbraucht. Ein antimarianischer Protestant schrieb mir zu diesem Vers:
„Dass jedoch Maria selbst irgendeine besondere Bedeutung hätte, wird schlagend dadurch widerlegt, welchen Stellenwert Jesus selbst dem ‚Marienlob‘ in Lukas 11,27 einräumt: ‚Da erhob eine Frau aus der Volksmenge ihre Stimme und sprach zu ihm: Glückselig der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die du gesogen hast! Er aber sprach: Gewiss, glückselig, die das Wort Gottes hören und befolgen.‘ Anders gesagt: Jeder, der das Wort Gottes hört und befolgt, wird hier von Jesus ausdrücklich auf die gleiche Stufe wie Maria gestellt. Jesus sagt lapidar, dass Maria nicht ‚glückseliger‘ ist als alle anderen, die Gottes Wort hören und befolgen.“
Und genau das stimmt nicht:
1. Mit seiner Erweiterung auf alle übrigen Personen, die Gottes Wort hören und befolgen, geht es Jesus nicht darum, seine Mutter zu erniedrigen, sondern, wie in diesem Text dargelegt, die Zuhörenden dazu einzuladen, der Gruppe der Seligen, der Geretteten, beizutreten. Jesus nutzte jede Möglichkeit und jede Gelegenheit, so viele Menschen, wie nur möglich, für Gott zu gewinnen, und nicht, um seine Mutter zu erniedrigen! Wer das im letztgenannten Sinn begreift, statt im erstgenannten Sinn, hat von Gott, seinem Willen und seiner Botschaft nichts verstanden!
2. Jesus spricht gemäß Lk 11,27 nicht vom Seligkeitsgrad, den angeblich alle wahren Christen in gleichem Maße hätten, sondern von der Seligkeit, die sie alle haben. Jesu Worten zufolge sind also alle wahren Christen, und somit auch seine Mutter, selig. Dass aber alle wahren Christen den gleichen Seligkeitsgrad hätten, darüber äußert sich Jesus ganz einfach nicht. Da Jesus gemäß Lk 11,27 nicht vom Seligkeitsgrad spricht, so ist aus seinen Worten nicht ersichtlich, dass alle wahren Christen denselben Seligkeitsgrad wie seine Mutter hätten und damit auf derselben Stufe mit ihr stünden. Dieser Sachverhalt ist hier völlig offen, so dass keiner sagen kann, dass jeder, der das Wort Gottes hört und befolgt, auf derselben Stufe mit seiner Mutter stünde, vor allem vor dem Hintergrund, dass nicht alle, die das Wort Gottes hören und befolgen, es in gleichem Maße hören und befolgen, weshalb der Apostel Paulus ausdrücklich zwischen den in der Heiligkeit unvollendeten Gerechten und den in der Heiligkeit vollendeten Gerechten unterscheidet. In Hebr 12,22-24 schreibt er:
„Ihr seid vielmehr hingetreten … zum himmlischen Jerusalem … zu den Geistern der vollendeten Gerechten …“
Paulus spricht hier von diesen Himmelsbewohnern nicht als von „den vollendeten Gerechten“, sondern als von „den Geistern der vollendeten Gerechten“, um sie zu unterscheiden von dem, was sie jetzt im Himmel sind, nämlich Geister, und von dem, was sie einst auf Erden waren, nämlich vollendete Gerechte, womit er impliziert, dass es auf der Erde auch unvollendete Gerechte gibt, d.h. Gerechte, die im Gegensatz zu den vollendeten Gerechten in ihrer Heiligkeit unvollendet sind, weshalb er die unvollendeten Gerechten mahnt:
„Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, wollen wir uns von aller Befleckung des Fleisches und auch des Geistes reinigen und unsere Heiligung in der Furcht Gottes vollenden.“ (2 Kor 7,1)
Somit sind die vollendeten Gerechten aufgrund ihrer vollkommenen Befolgung des Wortes Gottes seliger als die unvollendeten Gerechten aufgrund ihrer unvollkommenen Befolgung, und stehen aufgrund dessen auf einer höheren Stufe als die unvollendeten. Und selbst unter den unvollendeten Gerechten gibt es Abstufungen, weil unter ihnen die einen das Wort Gottes besser befolgen als die anderen:
1. Beispiel: Es gibt „unvollendete Gerechte“, die andere Menschen wegen ihres anderen Glaubens hassen und verachten, weshalb sie sie nonstop angreifen, diskriminieren, erniedrigen, beschimpfen und beleidigen und allerlei Lügen über sie erfinden und verbreiten, und damit Gottes Wort, seine Gebote, brechen! Dann gibt es noch unvollendete Gerechte, die so etwas Böses überhaupt nicht tun. Diese unvollendeten Gerechten sind aus diesem Grund seliger und auf einer weit höheren Stufe als die erstgenannten „unvollendeten Gerechten“, die noch zutiefst fleischlich sind.
2. Beispiel: Es gibt „unvollendete Gerechte“, die andere Menschen wegen ihren Sünden hassen und verachten und sie wegen diesen Sünden richten, verurteilen und verdammen und an den Pranger stellen und Steine auf sie werfen, vor allem, wenn es sich bei diesen Menschen, die von ihnen an den Pranger gestellt werden, um deren angebliche Feinde oder Gegner handelt, die sie auf diese Weise so schlecht wie möglich präsentieren wollen, um sie zu diskriminieren und damit Gottes Wort, sein Gebot, zu brechen, welches sagt: „Richtet nicht!“. Dann gibt es noch unvollendete Gerechte, die so etwas Böses überhaupt nicht tun. Diese unvollendeten Gerechten sind aus diesem Grund seliger und auf einer weit höheren Stufe als die erstgenannten „unvollendeten Gerechten“, die noch zutiefst fleischlich sind.
3. Beispiel: Es gibt „unvollendete Gerechte“, die sich über die Engel und vollendeten Gerechten, die Heiligen, erheben und sie deshalb nonstop erniedrigen und klein und gering und bedeutungslos machen. Sie selbst wollen die Größten im Universum sein. Dann gibt es noch unvollendete Gerechte, die so etwas Böses überhaupt nicht tun, sondern sich über ihre Vollendung freuen. Diese unvollendeten Gerechten sind aus diesem Grund seliger und auf einer weit höheren Stufe als die erstgenannten „unvollendeten Gerechten“, die noch zutiefst fleischlich sind.
Wie wir sehen, gibt es die unterschiedlichsten Seligkeitsgrade, die sich aus der jeweiligen Befolgung des Wortes Gottes, der heiligen Gebote, ergeben. Wer Gottes Wort, die Gebote, nun besser befolgt, und wer nicht, diese Frage stellt sich Jesus in Lk 11,27 nicht! Ihm geht es an dieser Stelle allein darum, die Außenstehenden in den Kreis der Seligen einzuladen, um sie erst einmal für Gott zu gewinnen! Welchen Seligkeitsgrad sie dann erreichen werden, ist vor diesem Hintergrund unbedeutend! Hauptsache sie sitzen erst einmal im sicheren Boot! Das ist hier das Augenmerk Jesu, und nicht die Erniedrigung seiner Mutter!